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Noten, Sterne und Polaroidbilder

aspasijatopalovska

Endlich Ferien!

Mindestens genauso wichtig wie die Ferien sind für Schüler die Zeugnisnoten. Gute Noten sind motivierend, bestärkend, ein Grund zur Freude, für Anerkennung, Belohnungen, Stolz und neue Motivation. Sie sind die Eintrittskarte für ein Studium an Hochschulen, eine Ausbildung in Betrieben und – wenn man es stark übertreibt – die vermeintliche Garantie für ein erfolgreiches Leben. Schlechte Noten dagegen sind demotivierend, degradierend und oft der Grund für böse Blicke, kritische Worte, Diskussionen, Streit, Bestrafungen und eine Schwächung des Selbstwertgefühls. Das ist weniger eine Behauptung als vielmehr ein Fakt.

Als Schülerin hatte ich meistens gute Noten. Etwas anderes wurde weder von mir noch von meiner Umgebung akzeptiert. In meinen ersten Schuljahren dominierte bei mir die intrinsische Motivation. Später jedoch entstand zunehmend der Druck – von außen und innen –, ständig gute Leistungen erbringen zu müssen. Im Teenageralter stand ich plötzlich vor einer großen Herausforderung: Ich musste alle Schulfächer in einer neuen Sprache, in einer komplett neuen Umgebung, in einer neuen Stadt, in einem fremden Land und an einer zuvor unbekannten Schule bewältigen. Plötzlich erhielt ich Noten, die nicht meinen bisherigen Erwartungen entsprachen. Die Sprachbarriere beeinflusste meine schulischen Leistungen erheblich, und ich musste lernen, trotz größter Anstrengung auch schlechtere Noten zu akzeptieren.

An der Universität war ich jedoch um jede Note froh, die mich eine Runde weiterbrachte. Während meiner Schulzeit trieb mich oft der Ehrgeiz an, während meines Studiums war es die Angst, die mich zu guten Leistungen motivierte.

Oft werden die Noten junger Menschen nicht als das wahrgenommen, was sie eigentlich sind. Eine schlechtere Note wird häufig nicht als objektive Bewertung einer momentanen Leistung verstanden, sondern als persönliches Urteil – viel zu persönlich sogar.

Dabei sind Noten doch eher wie Fotos aus einer Polaroidkamera: eine Momentaufnahme, ein Sofortbild, auf dem man entweder gut oder schlecht aussieht. Es gibt keine Möglichkeit der Retusche, aber immer die Chance auf eine neue Aufnahme.

Ein Teil des Jobs von Lehrern, Professoren und Mitgliedern von Auswahlkommissionen ist es, solche „Polaroid-Fotos“ zu machen. Zum ersten Mal in meinem Leben durfte ich erfahren, wie es sich anfühlt, andere Menschen zu bewerten – besser gesagt: Noten zu verteilen. Keine leichte Aufgabe! Benoten ist kein Würfelspiel. Der Druck, gute Noten zu erhalten, ist groß, doch der Wunsch, gute Noten zu vergeben, ist oft noch größer.

Was bleibt am Ende übrig? Ein weißes Blatt mit Zahlen, Buchstaben, Beschreibungen oder einer bestimmten Anzahl von Sternen. Diese Bewertungen sollen ausdrücken, wie gut wir in einer Sache zu einem bestimmten Zeitpunkt waren, wie viel wir bis dahin gelernt haben, wo unser Fokus lag oder welche unsere Interessen waren. Sterne hingegen repräsentieren oft eine subjektive Einschätzung. Aber egal, wie die Noten oder Bewertungen ausfallen, die härteste und schlimmste Note vergeben wir uns selbst. Sie gleicht einem Stempel mit der Aufschrift: „Ich bin schlecht“, „Ich bin dumm“, „Ich bin nicht gut genug“, „Ich kann das nicht und werde es nie können“ usw.

Eine schlechtere Bewertung oder Note sollte jedoch als Ansporn zur Verbesserung und Weiterentwicklung verstanden werden – niemals als Grund, mit dem Lernen oder einer Tätigkeit aufzuhören. Weg mit dem Stempel! Es geht doch um den Lernprozess an sich: um die Weiterentwicklung, die Wertschätzung, die Kreativität, die Erfahrung, die Freude und den Flow.

Ob mit oder ohne Noten – und ob für gute Noten oder fürs Leben: Lernen hört bekanntlich nie auf. Oder, wie es in meiner Kindheit und Heimat hieß: „Der Mensch lernt, solange er lebt, und stirbt doch unwissend.“

Also: Bleiben wir entspannt! :-)

In diesem Sinne: Keep on learning! Oder auch nicht – es sind schließlich Ferien!




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